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Dienstag, 11. November 2014

Familie in Not! Jobcenter verschlimmert die Situation

SKANDAL: Armut bringt Familie in Not. Jobcenter macht zusätzliche Schwierigkeiten.

Eine Familie aus dem Kreis Rhein-Sieg (NRW) die in Armut leben muss (Hartz IV) befand sich in einer akuten Notsituation. Die Familie lebte in einer schimmeligen Wohnung mit drei Kindern und das vierte war unterwegs. Dass das kein Zustand ist, versteht sich von alleine. So wandte sich die Familie an das Jobcenter Kreis Rhein-Sieg, zwecks Umzugs in einer anderen Wohnung.

Das Jobcenter hatte der Familie den Umzug genehmigt, allerdings die Kostenübernahme für diesen kurzfristig abgelehnt. Für die Familie war es allerdings unmöglich die Kosten für den Umzug selber aufzubringen. Anstatt das Jobcenter Hilfestellung leistete, hatten die zuständigen Mitarbeiter in der Behörde nichts Besseres zu tun und hatten gleich mal das Jugendamt eingeschaltet. Vermutlich mit dem Gedanke, eine Familie die mit drei Kindern und das vierte ist unterwegs, in einer verschimmelten Wohnung lebet, da muss doch mal das Jugendamt schauen ob das Wohl der Kinder gefährdet ist.

velbertbloggt: Wir halten dass für einen handfesten Skandal, obwohl die Eltern die unerträgliche Situation für sich und aber auch für ihre Kinder erkannt hatten und in einer neuen Wohnung umziehen wollten, machte das Jobcenter noch zusätzliche UNNÖTIGE Schwierigkeiten.

Die Tageszeitung "junge Welt" hat über diesen unglaublichen Fall einen Bericht geschrieben.
(Michael Mahler)


Bericht der Tageszeitung "junge Welt"

Ämterwillkür: Armut bringt Familie in Not

Hartz IV: Statt zu helfen, zeigt Jobcenter Eltern mit Geldproblemen vorsorglich beim Jugendamt an

Alles zum Wohl des Kindes? Für den Nachwuchs von unbequemen Hartz-IV-Beziehern gilt das offenbar nicht. Die Linke-Fraktion im Kreistag Rhein-Sieg (Nordrhein-Westfalen) hat Hinweise darauf, dass das Jobcenter Kontakte zum Jugendamt augenscheinlich dafür nutzt, Eltern unter Druck zu setzen. Der Abgeordnete Frank Kemper informierte junge Welt am Montag über den Fall einer in Not geratenen Familie, die sich im Sommer an seine Fraktion gewandt hatte. Nach einer Auseinandersetzung mit der Sozialbehörde sollte den Eltern das Sorgerecht gerichtlich entzogen werden.

»Wir sind fix und fertig«, sagte Mutter Heike Schmidt (Name geändert) am Montag zu jW. Ihren Angaben nach lebte die Familie, die gerade das vierte Kind erwartete, in einer schimmeligen Wohnung. Nach langem Hin und Her habe ihr das Jobcenter Rhein-Sieg zwar einen Umzug genehmigt, die Kostenübernahme aber kurzfristig abgelehnt. »Es war uns unmöglich, das Geld selbst aufzutreiben«, so Schmidt. In den Monaten zuvor hatte sie vergeblich um Leistungen aus dem Bildungspaket gekämpft. Zudem seien Fahrtkosten für die Kinder nicht rechtzeitig bewilligt worden. Auch das Elterngeld habe das Amt angerechnet, obwohl es noch gar nicht ausgezahlt worden sei. »Ich war verzweifelt und habe im Jobcenter nachgefragt, wie ich nun die Kinder anständig großziehen soll«, so die Mutter. Die Behörde reagierte mit einer Meldung an das Kreisjugendamt wegen vermuteter Kindeswohlgefährdung. »Da standen dann plötzlich Mitarbeiter vor meiner Tür.« Die hätten jedoch notiert, dass »die Kinder nicht verhaltensauffällig wirken und insgesamt einen unauffälligen Gesamteindruck hinterlassen«, bestätigte Kemper aus ihm vorliegenden Unterlagen. Dennoch strengte das Jugendamt ein Verfahren vor dem Familiengericht an. Das entkräftete die Vorwürfe des Amtes. Es gebe »keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Kinder, die eine Maßnahme nach Paragraph 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erforderlich machen würden«. Dieser regelt Inobhutnahmen von Kindern durch Jugendämter und teilweisen oder vollständigen Entzug des Sorgerechts.

Die Linksfraktion wollte mehr erfahren und fragte bei den Kreisbehörden nach. In der jW vorliegenden Antwort rechtfertigt sich das Jugendamt: Es sei nach jeder Meldung verpflichtet, Vorwürfen nachzugehen. Wie häufig dies durch das Jobcenter geschehe, werde statistisch nicht erfasst. Geprüft werde immer nach einem »standardisierten Verfahrensablauf«. Dazu gehörten auch Stellungnahmen an das Familiengericht, die in der Regel auf Beobachtungen basierten. Das Jugendamt habe aber keine rechtliche Handhabe, das Jobcenter zur Zahlung von Leistungen aufzufordern, versichert es in der Antwort. Das Landratsamt, dem beide Behörden unterstehen, sieht keinen Handlungsbedarf. Auf die Frage der Linksfraktion, ob es die Praxis überdenken werde, antwortete es mit »Nein«.

Bekannt ist, dass Hartz-IV-Bezieher sehr häufig nur durch Gegenwehr zu ihren Rechten kommen. So entschieden etwa die Sozialgerichte 2013 42,5 Prozent aller Klagen gegen Sanktionen zugunsten der Betroffenen, wie die Bundesregierung im Juni auf eine Anfrage der Linken im Bundestag antwortete. Danach hatten zuvor bereits über 36 Prozent der Hartz-IV-Bezieher in Widerspruchsverfahren recht bekommen. Für Parteichefin Katja Kipping zeugt das von »massenhaften Rechtsbrüchen«.

Quelle und mit freundlicher Genehmigung:
https://www.jungewelt.de/inland/armut-bringt-familie-not
https://www.jungewelt.de